Tag Vier

Der vierte Tag fing ziemlich schön an. Aufstehen, das übliche morgendliche Drama. Nach dem Frühstück haben wir uns um die Einwandsbehandlung gekümmert. Was waren die häufigsten Ausreden? Wie gehe ich auf was ein? Ist es sinnvoll, alle Informationen auf einmal zu bringen?
Keine Zeit? „Dauert nur eine Minute, ganz kurz.“ –Freundlich aber doch bestimmend sagen.
„Ich bin schon bei der Konkurrenz – DRK!“, „Echt? Das freut uns sehr. Die meisten, die bei dem DRK mitmachen, helfen uns auch mit, muss ja nicht ganz so viel sein.“ – „Eine Organisation reicht mir.“, „Da haben Sie vollkommen recht, aber eine Organisation kann nicht alles abdecken, deswegen kümmern ‚wir‘ uns um die Soziale Schiene.“ Und und und.
Nachdem wir alle Fragen geklärt haben, musste noch jeder ein Gespräch üben. Ganz schön zu erfahren, wie die anderen das so machen. Als fast alle dran waren, stieg in mir die Aufregung. Es ist schon was anderes, dieses Gespräch vor versammelter Mannschaft zu machen. Als ich dann dran war, stieg mein Puls immer weiter an. – Denk an den Mann, der seinen Stein putzt! Ganz langsam und ruhig, du packst das!

Ding dong!

Ja, Hallo?

Hallo, Anh Tuan mein Name. Ich komme von der Johanniter Unfallhilfe. Sie kennen uns bestimmt vom Rettungsdienst?

Ja klar! Fahren ja auch oft genug rum.

Ich hoffe Sie haben uns noch nie gebraucht?

Nein nein, zum Glück noch nicht.

Ah das ist schön. Toi Toi Toi, machen Sie uns ja keine Arbeit!

*Lachen* – Das Eis ist gebrochen, jetzt kann es losgehen.

Und zwar soll es heute nur ums Ehrenamt gehen. Sie kennen doch bestimmt unseren Schulsanitätsdienst, den wir an 18 verschiedenen Schulen hier in Würzburg und Umgebung führen. Ein weiteres, ganz wichtiges Projekt wäre das „Perlmut(t)“, da geht es um Trauma Pädagogik an Kindern. Zudem haben wir ja noch die beste Hunderettungsstaffel in ganz Deutschland in der Umgebung! Außerdem feiern wir hier vor Ort dieses Jahr das 50-jährige Jubiläum.

*Lachen* – Jubiläum muss ja auch irgendwie finanziert werden. 😉

Ausrüstung und Ausbildung lassen sich leider noch nicht von allein finanzieren, deshalb sind wir von der Studentengruppe hier vor Ort unterwegs, es geht um den Spendenbeitrag. Es machen auch schon ganz viele Nachbarn mit, ich zeige Ihnen mal, wie:
Auf dem Formular: Die Johanniter gibt es ja Deutschlandweit. Ihre Unterstützung bleibt hier in Würzburg. Uns ist es ganz wichtig, dass wir die lokalen Ehrenämter unterstützen. Ihr Geld geht also nicht nach München oder Berlin, es bleibt wirklich alles hier. Ich würde gern eintragen, wer mitmacht. Dann die Bitte wirklich nur einmal im Jahr mitzuhelfen, wie viel ist freiwillig. Es geht alles über den sicheren Bankweg. Meinen Namen trage ich dann auch noch dazu.
Dann darf ich Sie doch sicher auch dazu schreiben oder?

Nach meinem Gespräch habe ich von meinem Teamchef ein dickes Lob erhalten, in dem er keiner Negativpunkte gefunden hat. Seiner Meinung nach, könnte ich alle anderen übertrumpfen, wenn ich mit genau dieser Energie, Ruhe und Selbstsicherheit heute an die Türe gehe. Wahnsinn. Nach diesem Feedback war ich vollends motiviert so richtig durchzustarten.
Also Sachen zusammensuchen und ab zum Auto. Da wir am Abend in den Geburtstag von einer unserer Teammitglieder feiern wollten, sind wir noch schnell einkaufen gegangen. Da ich mit Kochen dran war, mussten noch einige Sachen besorgt werden. Zumal wir noch einen Kuchen backen wollten. Außerdem haben wir uns noch einen Pokerkoffer für gemütliche Abende zugelegt. Alles besorgt? Weiter geht’s.
In meinem Einsatzgebiet angekommen, musste ich erst einmal eine rauchen und durchatmen. Dann mal los. Leider habe ich dann gemerkt, dass ich in einem sozialschwachen Viertel gelandet bin. Es soll nicht abwertend klingen, aber ich weiß selbst, wie es ist, in so einem zu leben. Man muss jeden Cent umdrehen und hat selber nicht viel zum Leben. Verständlich, dass ich da nicht energisch darauf getrimmt habe, Unterschriften zu sammeln. Leicht demotiviert habe ich dennoch mein Bestes gegeben. Immerhin hatte eine Person ein großes Herz für die gute Sache und machte mit. 3 Einheiten für mich und ein neues Fördermitglied für die Johanniter. Besser als nichts.
Als es am Abend wieder nach Hause ging, habe ich auf der Heimfahrt viel nachgedacht. Ist es der richtige Job für mich? Lohnt es sich weiterzumachen? Sollte ich vielleicht besser aufhören? – Nein! Du ziehst das durch. Zumindest die ersten beiden Wochen, dann sehen wir weiter. Du kannst das! Aber was ist wenn nicht? Ich will nicht meinen Chef enttäuschen, denn wir verstehen uns doch sehr gut. Ein richtiger Kumpeltyp eben. Morgen wird’s bestimmt besser…
Als ich ihm die ernüchternde Nachricht überbracht habe, hat er anstatt mich niederzumachen, mein Selbstwertgefühl sehr aufgebaut. Die erste Woche ist immer die Schwerste. Irgendwann macht es „klick“ und ab da wird es immer besser. Ich glaube, du kannst einer der Besten werden! Deine Art, wie du redest – in dieser Ruhe und Selbstsicherheit. Morgen bekommst du ein neues Gebiet, neue Leute, neue Luft. Das wird schon!

Danke.

Auf der Heimfahrt haben wir noch einen guten Freund von unserem Teamchef abgeholt, der zufällig auch bei Wesser als Teamleiter tätig ist.
Zu Hause angekommen, habe ich keine Zeit verschwendet. Hände waschen, umziehen und dann ab ans Kochen. Leider hatten wir keinen Reis mehr. Also gab es Nudeln mit Geschnätzeltem. Es hat allen geschmeckt. Gott sei Dank. In der Zwischenzeit sind zwei andere in die untere Wohnung gegangen, um den Kuchen zu backen und alles für die „Feier“ vorzubereiten. Kurz vor zwölf sind wir alle runter und haben auf der Karte unterschrieben. Als dann der nächste Tag angebrochen ist, haben wir das Geburtstagkind runtergelotst. Es wurde für sie gesungen und wir haben alle gemeinsam angestoßen. Den Abend haben wir mit Kuchen und Tequila ausklingen lassen. Auch eine Runde Poker durfte nicht fehlen. Vor dem Schlafengehen haben wir uns noch alle unterhalten. Vor allem von einem anderen Teamchef Tipps abgreifen war uns wichtig.

So gegen 4.00 Uhr sind wir dann auch ins Bett gefallen. Den nächsten Tag wollten wir etwas später starten. Verständlich 😉